28.2.2018
Zwischen Ankommen und Loslegen
Wintercampus gestartet: Stipendiaten der Künstlerstadt Kalbe zeigen Installationen, Malerei, Fotografie und mehr
Das künstlerische Schaffen kann beginnen: Melanie Ludwig baut ihre Leinwände zusammen, während Eduard Tadevossian mit der Kamera auf Fotomotivsuche ist. © Koerdt
Vienau. „Hier oben gibt es das beste Internet“, sagt Sophie und tippt auf ihrem Laptop. Neben ihr steht Harutyan. Er versucht, jemanden in Berlin zu erreichen. Sein und Eduards Gepäck sind beim Flug von Armenien nach Deutschland irgendwie verschütt gegangen. Constanza sitzt im Schneidersitz neben den beiden, ist auch online, während Lisa unten in der Küche kocht und Melanie ihre Leinwände zusammenbaut. Seit diesem Montag sind sie in Vienau, die Stipendiaten des Wintercampus’ der Künstlerstadt Kalbe.
Sophie Foster (von links), Hyunsung Park, Harutyan Avakian und Constanza Carvajal und gewöhnen sich an die Vorzüge des Landlebens. Wie Internetempfang an nur einem Platz im Haus. Wenigstens gibt es so keine Ablenkung vom Schaffensprozess. © Koerdt
Es ist noch eine Mischung aus „erst mal ankommen“ und „einfach loslegen“ im Haus von Ingeborg von Kalben, die die Künstler seit ein paar Jahren immer für ein paar Wochen beherbergt. Am kommenden Sonnabend schon werden sich Besucher auf dem Grundstück tummeln, die die Stipendiaten und ihre Arbeiten kennenlernen möchten. Eine von ihnen ist Sophie Foster. Die 29-jährige wuchs in York in Großbritannien auf, studierte und lebte sieben Jahre in Newcastle, bevor sie für den Masterabschluss nach Deutschland an die Weimarer Bauhaus-Universität kam. In Vienau möchte sie einen „Walk & Talk“ machen. „Meine Arbeit beschäftigt sich mit dem Laufen“, sagt Sophie, „Laufen als künstlerische Strategie für Inspiration“. Dafür erschienen ihr Vienau und die weitläufige Natur um das altmärkische Dorf genau richtig. „Ich möchte mit den anderen Stipendiaten und den Bürgern einfach laufen und die Gespräche aufnehmen, die Dinge, die wir sehen, festhalten und welche Perspektiven wir haben, von dem, was wir sehen, vom Land“, sagt Sophie. Auch über Sprachbarrieren hinweg sollen die Gespräche geführt werden, denn Sophie spricht eher Englisch. Aus den Aufnahmen möchte sie einen Podcast zum Download erstellen, den sich Interessierte auf denselben Strecken beim Spaziergang anhören können. Ebenfalls an der Bauhausuni in Weimar studiert Constanza Carvajal. Die 30-jährige Chilenin konzentriert sich allerdings nicht auf Gespräche beim Spaziergang, sondern auf die Stille. „Stille kann auch vielsagend sein“, sagt Constanza. Stille spreche, in ihr lägen Geheimnisse, Verborgenes. Was liegt hinter der Stille im Verborgenen hinter den weißen Spitzenvorhängen in den Fenstern von deutschen Küchen und Wohnzimmern? Die junge Künstlerin will aus dieser Fragestellung ihr Projekt entwickeln, es wird fotografisch sein oder eine Installation. Hyunsung Park will sich in Vienau spontan inspirieren lassen. Das tat sie schon einmal in der Isolation in Südtirol. „Dort gab es auch wenig Menschen und viel Natur“, sagt die 26-jährige Südkoreanerin, die an der Kunstakademie München studiert. „Da habe ich meine Arbeit in eine Richtung entwickelt, die ich so gar nicht erwartet habe“. Hyunsung zeichnet und schafft Installationen und wird „impulsiv und spontan“ etwas Neues entwickeln, sagt sie. Lisa Ketturkat ist bereits das zweite Mal in Vienau. Die 27-Jährige lebt in Dresden und beendete ihr Studium im Mai 2017. Die „märchenhafte Umgebung“ damals hat sie inspiriert, sie hat hier vor zwei Jahren Künstlerbücher geschaffen, es sind Zeichnungen und Collagen entstanden. Jetzt möchte sie vielleicht auch noch Texte mit einbinden und sehen, „was ich diesmal anders empfinde. Mal sehen, was die Erlebnisse mit einem machen“. Schlaf ist das Thema von Melanie Ludwig aus dem österreichischen Linz. Als sie vom Wintercampus auf dem Land in der Altmark erfuhr, war die Ruhe, das Abgelegene „der Trigger für mich“ und Vienau erschien ihr ein idealer Rückzugsort, um „schlafende Männer“ zu malen. Harutyan Avakian ist ein klassischer Maler. Allerdings Landschaften und Portraits der Vienauer, so hofft er, und der Stipendiaten. Er lebt in Jerewan, ist aber in einem kleinen armenischen Dorf groß geworden. Nun möchte er sich vom Landleben in Deutschland für seine minimalistischen Arbeiten inspirieren lassen. Auch Ed Tadevossian, der gemeinsam mit Harutyan über das Projekt „Kulturdialog Armenien“ zum Wintercampus gekommen ist, hofft, dass ihm die Vienauer einen Einblick in ihr Leben und den Alltag gewähren. Denn in seiner Fotodokumentation will er für spätere Generationen festhalten, wie Menschen vor mehreren Jahrzehnten gelebt haben. „Ich sehe alte Fotos von Jerewan und sehe eine völlig andere Stadt“, sagt der 36-jährige Fotograf und hofft auf nette Begegnungen mit den Menschen vor Ort. Der erste Atelierrundgang findet am Sonnabend, 3. März, um 14 Uhr statt (Im Wiesengrund 3). Am Freitag, 2. März, geben Marie Antoinette Lührs und Richard Holzmann, ebenfalls Stipendiaten, ein Konzert in der Vienauer Kirche.
Von Hanna Koerdt
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