Von Petra Hartmann
Kalbe • Vor dem Hof in der Rathausstraße steht ein neuer Container für den Schutt, der alte wurde gerade abgeholt. Acht bis 15 Vereinsmitglieder der Künstlerstadt Kalbe arbeiten hier regelmäßig mit, entkernen, entrümpeln, reißen Fliesen heraus und Innenwände weg, die nicht mehr gebraucht werden. „Hier entstehen drei Wohneinheiten", erzählt Corinna Köbele und entfaltet ihren Plan. Eine im Erdgeschoss und eine im ersten Stock. Und noch eine nebenan im jüngeren Gebäude. Insgesamt zehn Einzelzimmer sollen es werden, und wenn alles klappt, können die Stipendiaten im Herbst einziehen. Der ehemalige Bahrssche Hof, der nun zum Kulturhof wurde, ist endlich ein eigenes Zuhause des Vereines. Zuvor hatte die Künstlerstadt ein Gebäude für ihre Stipendiaten gemietet und viel Arbeit hineingesteckt. Zu viel offenbar, wie Corinna Köbele feststellte, denn die renovierten Räume seien danach für andere Mieter interessant geworden und der Verein habe die Kündigung bekommen. „Das hier kann uns keiner mehr wegnehmen. Hier können wir schalten und walten und müssen nicht mehr befürchten, dass das Gebäude für jemand anderen interessant wird."
Verein musste viel Müll wegräumen
„Es war unendlich viel Müll hier drin, in allen Ecken", sagt Köbele. Die dunkle Küche musste verschwinden, aus dem ehemaligen Bad wurden schon Teile des Fliesenfußbodens entfernt. Auch die alten Kamine wurden herausgebrochen. Sie sollen einer modernen Gasheizung weichen. In den vergangenen Jahren habe sich gezeigt, dass die meisten Stipendiaten mit Kaminen ohnehin nicht umgehen konnten. Die rund zwei Quadratmeter großen Ungetüme hätten auch viel zu viel Platz weggenommen, außerdem hätte man dann Lagerräume für Holz oder Kohlen benötigt. Unbedingt erhalten will Vereinsmitglied Ralf Schulenburg aber die Terrazzo- Fliesen im Flur. „Die sind noch original und erhaltenswert, in den 1930er Jahren war das große Mode", sagt er. Auch die alten Lehmwände möchte Corinna Köbele bewahren. Sie hätten eine so schöne Struktur, das werde heutzutage wieder gesucht. Die Wände sollen allerdings imprägniert werden, damit es nicht staubt. Wichtig sei dem Verein vor allem, den Charakter des alten Hauses zu erhalten. Als nächstes sollen die Holzarbeiten erledigt werden. Der Fußboden, die Dielen und Schwellen müssen restauriert werden. Hierfür will der Verein eine Firma beauftragen. Zunächst muss allerdings noch ein Holzschutzgutachten erstellt werden. Das Abschleifen der Böden, die Erneuerung der Treppen und Türen „können wir selber machen", hat Köbele geplant. Mit Lehmwänden kennt sie sich jedenfalls aus, seit sie selbst ein historisches Haus gekauft und renoviert hat. Auch auf dem weiteren Gelände des rund 1750 Quadratmeter großen Geländes tut sich einiges. Die Festscheune hat inzwischen ein neues Tor erhalten und wurde schon zum Feiern genutzt, in einem weiteren Gebäude soll ein Jugendraum entstehen, daneben ein Café, im Obergeschoss ist ein Tagungsraum geplant. Finanziert wird das Ganze teilweise aus Eigenmitteln des Vereines, aber auch aus Fördergeldern. Unter anderem gab es 80 000 Euro vom Land Sachsen-Anhalt aus dem Programm „Demographie - Wandel gestalten". „Viel geht für Gutachten und Planungen drauf", sagt Köbele. Wenn alles klappt, können im Herbst neue Stipendiaten einziehen. Gedacht ist auch an ein neues „Artist-in-residence"-Programm. Es gebe schon einen ganzen Stapel Bewerbungen von Künstlern, die sich längere Zeit in Kalbe aufhalten und hier arbeiten möchten.
Im Badezimmer: Hier müssen noch die alten Bodenfliesen rausgerissen werden.
Ralf Schulenburg will unbedingt die historischen Terrazzo-Fliesen im Flur erhalten.
© Volksstimme, Gardelegener Kreisanzeiger, 29.1.2018, S. 19